Zentrum und Hauptgebäude

Xias Gedanken blieben nicht lange beim Spülen und schwirrten um dies und das, während ihre Arme die Arbeit mechanisch fortsetzen. Zuallererst drehten sich ihre Gedanken dabei um die aktuelle Situation. Für eine fremde Person konnte es leicht aussehen, als ob sie und Meiwaku mehr als Freunde waren. Aber niemand konnte hier einfach so reinsehen, ohne dass sie es merkte. Dafür hatte sie gesorgt. Entweder verdeckten Pflanzen einen Teil eines Fensters oder aber sie hatte sie beim Essen im Blick gehabt. Darum musste Xia sich keine Gedanken machen. Und Meimei war in ihren Augen nicht der Typ, der so etwas an die große Glocke hing. Ihr fiel auf, dass sie mit dem Spülen bereits fertig war, was aber bei zwei Tellern und dem Rest nicht verwunderlich war. Sie stellte gerade das Wasser ab als ihr aber etwas auffiel. Sie hatte Meiwaku ja noch gar nichts zu trinken angeboten. Heute war sie wirklich eine schlechte Gastgeberin. Sie bückte sich kurz. Neben der Spüle standen Kästen mit Getränken. Sie hatte so etwas einmal in der Menschenwelt gesehen und dann einfach übernommen. So flogen die Flaschen nicht in der Gegend rum. Xia überlegte kurz, was Meimei wohl trinken würde und griff dann nach zwei Flaschen Wasser und einer Flasche Sake. So würde ihr Gast die Wahl zwischen Alkohol und keinem Alkohol haben. Hier bin ich wieder. meinte sie fröhlich und schob Meiwaku sowohl den Sake als auch ein Wasser über den Tisch zu. Ich weiß leider nicht was du bevorzugt, also such es dir aus.

Der Riryuusuke wurde aus seinen Gedanken gerissen, als ein paar Flaschen auf dem Tisch abgestellt wurden. Überrascht zuckte er hoch und blinzelte ein paar Mal, ehe ihm klar wurde, dass er eben total abwesend gewesen war – gedanklich gesehen. Ein entschuldigendes Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, dann erblickte er die Getränke und sein Ausdruck hellte sich auf. „Ah... du hast Sake? Vielen Dank, Xia-chan!“, meinte er begeistert und nahm sich ungeniert die entsprechende Flasche, um sich ein paar Schluck zu gönnen. Das Strahlen auf seinem Gesicht erinnerte wohl mehr an ein unschuldiges Kind als einen erfahrenen, Hollow erschlagenden Shinigami, und als er den Sake abstellte, war sein Grinsen wieder fröhlich wie eh und je. Höflich wischte er sich den Mund ab und nickte seiner Gastgeberin zu. „Ah, genau das, was ich gebraucht habe. Weißt du, ich selbst habe zurzeit keinen Alkohol mehr... ich wollte mir in der Welt der Lebenden ein bisschen was holen, aber... naja. Irgendwie hat die Zeit gefehlt.“ Er kicherte und nahm noch einen kräftigen Schluck, noch immer mit diesem fröhlichen Strahlen. Dann, als die Flasche seine Lippen verließ, lachte er leise. „Weißt du, Xia-chan...“, meinte er und ließ den Drink in seiner Hand kreisen. „Ich hatte irgendwie nicht erwartet, dass du Alkohol haben würdest... naja, doch, vielleicht sowas wie Wein. Aber ich bin positiv überrascht. Sag, kann es sein, dass tief in dir doch ein schön lockerer Mensch steckt?“ Es mochte etwas unhöflich klingen, wie er das gerade sagte, aber das war dem Riryuusuke gar nicht klar. Er fragte einfach aus reiner Neugier... Oh, und wo er schon dabei war, konnte er ja gleich eine andere Frage hinzufügen: „Ah, eine Sache noch. Du siehst sehr jung aus, deshalb hatte ich das Gefühl, dass du... naja... sehr jung bist. Eine Anfängerin. Aber ich weiß, dass ich physisch gesehen schneller altere als viele andere Seelen und deshalb etwas zu viel Wert auf das sichtbare Alter lege, und du bist schon Vizekommandantin, also... wie lange bist du schon tot?“ Und nein, auch das sah er nicht als unhöflich an...

Xia beobachtete, wie Meiwaku nach dem Sake griff und fragte sich kurz, ob sie das nicht hätte vorher sehen können. Zwar sah der Shinigami nicht nach einem Alkoholiker aus, auch wenn diese Wortwahl doch recht hart war. Schließlich musste jemand, der mal einen Schluck Alkohol trank gleich ein Alkoholiker sein. Dennoch konnte die Vizekommandantin nicht anders als Meimei in ihrem Kopf als solchen zu bezeichnen, denn er sah aus wie ein kleines Kind, dem man gerade sein Lieblingsspielzeug geschenkt hatte. Als er dann meinte, dass er in der Menschenwelt seinen Vorrat an alkoholischen Getränken auffüllen wollte, musste Xia lachen. Das bedeutet also, dass ich mein Leben dem Alkohol verdanke, oder Meimei? Denn wenn er noch genug gehabt hätte, wäre er nicht in die Welt der Lebenden gekommen und Xia hätte dem Hollow nach Konekos Verschwinden alleine gegenüber gestanden. Nun gut, sie würde sich nicht beschweren. Dann stellte ihr Gast ihr zwei Fragen, einmal ob sie vielleicht doch eine lockere Person sei und dann noch nach ihrem Alter. Wenn Xia ehrlich war hatte sie die erste Frage erwartet, die zweite jedoch war etwas zu direkt. Ich habe immer etwas Sake hier, meistens für Gäste. Xia trank selbst wenig Alkohol und wenn, dann um zu vergessen, zum Beispiel wenn ihre Ängste sie zu erdrücken schienen. Aber das wollte sie nicht zugeben. Ich persönlich trinke nur selten. Finde es sollte eine Art Belohnung für mich bleiben. Sie hoffte, dass Meimei ihr das abkaufte. Und zu deiner zweiten Frage, fuhr sie fort Um die 60 Jahre. Ich bin also im Vergleich mit anderen Shinigami noch recht jung. Und noch ein Tipp. Frag eine Frau nie direkt nach ihrem Alter. Mir macht das wenig, aber andere können auf die direkte Weise etwas aggressiver reagieren.

Sie verdankte ihr Leben dem Alkohol? Meiwaku ließ diesen Satz kurz durch seine Gedanken gleiten. Nun, wenn man wollte, dann stimmte das durchaus; zumindest, wenn man davon ausging, dass sie es allein nicht geschafft hätte. Aber wenn man bedachte, wie fertig sie gewesen war... wie kraftlos... Den Hollow hätte sie vielleicht geschafft, aber den Halt danach hatte sie benötigt. Gut, dass er da gewesen war. Andererseits... und jetzt kreuzte den Blondschopf ein Gedanke, der ihn zum Lachen brachte: „Klar verdankst du ihm dein Leben... wer nicht? Ohne ab und an etwas zu trinken, hätte ich es nicht einmal halb durch die Akademie geschafft!“ Er hatte davor gelacht, er lachte danach noch einmal. Ob das nun stimmte, konnte er nicht genau sagen, aber der Riryuusuke war durchaus davon überzeugt, dass ihn irgendwann das bisschen Enthusiasmus, das er gehabt hatte, verlassen hätte ohne gelegentliche Auffrischung.

Dass Xia Alkohol als eine Belohnung ansah, kaufte Meiwaku ihr nicht so richtig ab... auch, wenn er es nicht ausschloss. Nein, es klang für ihn wesentlich glaubwürdiger, dass das Getränk nur für Gäste da war. Dennoch lächelte er sie an; das störte ihn nicht. Er hatte sie ja auch schon gemocht, als er noch gedacht hatte, dass sie überhaupt nichts hier hatte. Als die Tey ihm dann erklärte, dass Frauen aggressiv wurden, wenn man sie nach ihrem Alter fragte, blickte er einen Moment lang etwas verdutzt, dann grinste er wieder breit. „Ach?“, meinte er belustigt. „Frauen dürfen Männer nach ihrem Alter fragen, aber anders herum ist es ein Tabu? Klingt fair.“ Dann zwinkerte er dem Mädchen kurz zu. „Aber ich kann verstehen, dass es dich nicht stört. Du bist noch jung.“ Menschen, die nur bis etwa hundert hochkamen, sahen in sechzig Jahren sicher eine Ewigkeit. Seelen, die so ziemlich ewig lebten, konnten über diese Zeitspanne nur lächeln. „Wir sind übrigens etwa gleichalt. Aber ich schätze, ich bin in der Zeit mehr gewachsen als du. Vermutlich, weil ich als Kind gestorben bin... die meisten Kinderseelen wachsen schneller.“ Hatte er zumindest mal gehört, und gefunden, dass es Sinn ergab. Ganz junge Kinder hatten noch nicht das nötige Maß an kognitiven Fähigkeiten und mussten sich deshalb als Seelen eben etwas schneller entwickeln... Eine Entwicklung, die auch nicht ewig anhielt. Wie alt sein Körper wohl noch werden würde? Er hatte schon ein paar Wetten darüber abgeschlossen. Mit sich selbst, und mit seinem Schwertgeist. Da er jedes Mal auf ein anderes Alter gesetzt hatte, ließ sich das aber wohl nicht so ernst nehmen...

Xia nickte ihrem Gast kurz zu und genehmigte sich einen kleinen Schluck ihres Wassers.  Über das äußerliche Altern von Seelen hier in der Soul Society hatte sie nie wirklich nachgedacht.  Es war ihr schon häufiger passiert, dass sie jemanden vom Alter her völlig falsch eingeschätzt hatte.  Sie wollte gerade zu einer Antwort ansetzen,  als es an der Tür klopfte.  Entschuldige kurz. sagte die Vizekommandantin, stand auf und ging zur Tür.  Wer es wohl war? Denn erwarten tat sie niemanden.  Sie öffnete die Tür und sah direkt in das Gesicht eines Shinigamis aus ihrer Division.  Vizekommandantin Tey. begrüßte er sie und verneigte sich.  Mit einer Handbewegung forderte sie ihn auf zu sprechen.  Ich bin damit beauftragt,  ihnen folgende Mission zu überbringen.  Anscheinend sind drei Arrancar in die Soul Society eingedrungen.  Die Vizekommandantin der ersten Einheit ist bereits aufgebrochen und untersucht die Angelegenheit.  Sie sollen als Unterstützung dazustoßen. Xia zuckte zusammen.  Arrancar?  Hier?  Der Bote gab ihr noch weitere Informationen,  darunter den Aufenthaltsort. Dann verbeugte er sich wieder und verschwand.  Xia stand einige Sekunden wie versteinert da
. Die Nachricht war einfach unglaublich.  Aber es konnte kein Trick sein,  denn ansonsten würde man keine zwei hochrangige Shinigamis losschicken.  Sie drehte sich zu Meiwaku um. Tut mir leid.  Aber anscheinend müssen wir uns später weiter unterhalten. Sie ging noch einmal kurz in den Raum und nahm ihre Waffe an sich, die sie bevor sie eingeschlafen war abgelegt hatte.  Wie Meiwaku wohl reagieren würde?  Der Bote hatte in einer moderaten Lautstärke gesprochen.  Ihr Gast hätte das Gespräch mitbekommen können. Aber Xia wolllte ihn da nicht mit reinziehen. Andererseits würde er sich nicht abwimmeln lassen und ihr mit etwas Abstand folgen. Kommst du. es war mehr eine Aufforderung als eine Frage.  Sie hatte keine Lust jetzt noch einen Steit zu provozieren.  Oder kommst du nach? Ohne ihm eine Gelegenheit zur Antwort zu lassen verließ sie den Raum und lief los.

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