Dashing through the snow ...

Ein Gähnen drang im unterdrückten Laut über Reikas Lippen, als sie eine der ersten war, die nach der heutigen Generalversammlung hinauszutreten gedachte. Der Nachteil an ihrer Position war, immer überaus gespannt, aufmerksam und gar neugierig zu wirken – selbst, wenn man nur darüber beriet, welche Farben die Socken in der Gotei 13 zu haben hatten. Drum durfte nun erst die Langeweile abzuschütteln versucht werden, was sie mit einem gedehnten Strecken tat, in welchem sich der rechte Arm über dem Haupt beugte und die Linke weit hinauf gereckt wurde, während ihre Schritte über den hölzernen Boden der ersten Kompanie fußten. Ungewöhnlich hell schimmerte das Licht des Tages am Haupttor in ihre Richtung, sodass sie bereits im Inneren die Augen etwas zusammenkneifen musste – doch nicht nur Reika schienen die Ungewöhnlichkeiten aufzufallen. Zwei, drei der Vizekommandanten, die schneller als sie gewesen waren, stoppten an der Pforte und spähten unter verheißungsvollen ‚Oooh’s und ‚Aaah’s hinaus, was bei dem Leutnant der Ersten ein abschätzendes Stirnrunzeln bewirkte. Rasch schloss sie auf und entdeckte schließlich mühelos, welch Seltsamkeit die Reaktionen bewirkt hatte:
Dick und flächendeckend hatte sich … Schnee über die Seireitei gelegt. Tief verblüfft spähte sie in das Winter Wonderland vor sich und bekam einige Momente lang nicht einmal mehr die Kinnlade zu. »Was zum …«, druckste der Rotschopf, welcher sich gleichsam jenen erst einmal tätschelte. Anschließend wagte sie den Schritt hinaus und hielt die Handfläche auf, sodass kleine Schneeflocken hineinperlten und sogleich von hinnen schmolzen. Das Geräusch unter ihren Sohlen austestend, wollte sie in Erfahrung bringen, ob es sich hierbei auch im echten Schnee handelte – doch letztlich ergäbe dies wohl nur die vollendete Prüfung: Ein beherzter Griff ins Weiß, welches ihre blanke Hand augenblicklich mit Kälte umfing und sanft an den Seiten hinunterrieselte, indessen sie die Menge dezent zusammendrückte.
Nun, sie hatten wahrlich lange die Beratung abgehalten, aber so lang? Was war nur geschehen? Das Ganze beantwortete sich, als ein paar vertraute, panische Gesichter aus der 12. Kompanie heraneilten und offensichtlich zu ihrer Taichou wollten. In Reikas Antlitz formte sich eine verstehende, leicht verschwörerische Miene. So, so … ein Missgeschick der Forschungsabteilung, wie es schien? Das seichte, in die Züge schleichende Schmunzeln verhieß nichts Gutes – und so eilte sie rasch in Deckung, als nach und nach wohl auch alle Kommandanten hinaustreten würden.

Eigentlich … ja eigentlich war Reika ein überaus vorsichtiger, berechnender Mensch, der lieber alles vorher abwog. Was hatte sie also in diesem Falle zu solch einer Aktion gedrängt, wo sie doch eigentlich besser wissen sollte, dass das nicht ohne Konsequenzen für sie bliebe? Aber die Verlockung war einfach zu groß gewesen … ein wenig Vergeltung in Form eines Schneeballs auf seine griesgrämige Rübe! Aber was jetzt? Zu spät erst dämmerte ihr, dass sie ja schlecht hierbleiben konnte – immerhin saß sie wie auf dem Präsentierteller! Eine entschlossene Miene zog sich über ihr Gesicht, als sie nach einem Plan überlegte, recht unauffällig entkommen zu können. Dabei schlug ihr Herz mit jeder Sekunde schneller und schneller, als ahnte ihr Organismus bereits, dass das Damoklesschwert an einem sehr dünnen Faden über ihr hing. »…wie komm ich denn jetzt…«, murmelte sie im Umblicken vor sich hin und merkte plötzlich, wie ein stattlicher Schatten über sie fiel, der eine sehr vertraute Silhouette malte. Man hörte ein kleines Schlucken, ehedem sie den Kopf herumneigte, um in das nicht sehr begeisterte Gesicht ihres einstigen Vorgesetzten zu spähen, der mittlerweile – nicht zu Unrecht – den Rang eines Kommandanten bekleidete. »Ähä…«, rutschte es ihr sehr un-reika-haft raus, bevor sie sich rasch den Schnee von den Handschuhen klopfte, um die Spuren zu vernichten, »Shi-- eh, Kurama-Taichou…«, begrüßte der Rotschopf ihn merklich ertappt und kalt erwischt, »…gut seht Ihr aus, habt Ihr … eine neue Brille … oder so?« , versuchte sie sich heraus zu lavieren und glitt dabei langsam zurück, als mache sie sich schon für die Flucht bereit. Er würde sie leiden lassen? Irgendwie hatte sie nicht einmal Zweifel daran, so grimmig, wie er dreinschaute…

… Warum hatte sie noch einmal jeglichen Sinn fahren lassen und sich der Gedankenlosigkeit ergeben? War der winzige Moment, in dem Shisui so ungewohnt überrumpelt aus der Wäsche geschaut hatte, wirklich solcherlei Ahndung wert gewesen? Offenbar schon! Denn warum sonst würde man Reika mit einem derart beschwichtigenden, merklich erzwungenen Lächeln auf den Lippen erleben, wie sie Stück für Stück vor der imposanten Gestalt des Taichous zurückwich – in der Hoffnung, nicht gleich die eisige Vergeltung spüren zu müssen? »Oh, aber … werter Herr Kommandant, da seid Ihr gewiss … einem … absoluten … Missverständnis … anheim … gefallen…«, druckste sie mit jedem Schritt hervor, den sie bedächtig aus seinem Aktionsradius zu setzen versuchte – erfolglos, da er nicht vorhatte, Reika entkommen zu lassen. »Oh, ich würde nie …!«, begann sie sich zu rechtfertigen und verzeichnete derweil alarmiert, dass er sich eine beachtliche Fuhre Schnee in seinen Pranken sammelte. Etwas zu eilig gedachte sie daraufhin ihre Flucht zu beschleunigen und stolperte dabei rückwärtig über eine schneeige Unebenheit; mit dem Hintern voran im Weiß landend. Beunruhigt fixierte das Silber dennoch weiterhin die Ladung an Schnee, die er ihr zugestehen wollte und griff im Affekt nach dem erstbesten Strohhalm, der ihr einfiel – die Augen flackerten an seiner Seite vorbei und eröffneten sehr rasch ein »Gintori-Taichou!«; in der Hoffnung, wenigstens den Bruchteil einer Sekunde zu erhaschen, um der ersten ‚Attacke‘ Shisuis entkommen zu können. Natürlich befand sich die Generalkommandantin nicht in der Nähe – aber was tat man in der eigenen Verzweiflung nicht alles, um seinen Peiniger abzulenken? …Ganz gleich, ob es gelang, seiner ersten Racheaktion zu entfliehen oder nicht – das zweite Manöver würde sie gewiss nicht über sich ergehen lassen! Eilig raffte sie sich wieder auf die Beine und flüchtete davon. Irgendwo in Richtung Zentrum der Seireitei, wo sie hoffte, weniger Einseifungsmaterial ausgesetzt zu sein … ohne zu bedenken, dass ihr ohne Schnee möglicherweise weitaus drakonischere Strafen bevorstanden.
Doch wie das Schicksal so spielte, hatte die 12. Division wieder einmal ziemlich gut experimentiert, sodass sich kein Flecken fand, der nicht von einer strahlend weißen Pulverschicht überzogen war – so blieb der Fukutaichou nichts anderes, als um die erstbesten Ecken und Winkel zu flüchten, die sich alsbald ergaben. …Jetzt nur nicht in eine Sackgasse rennen!
Ihr fiel nicht einmal etwas ein, um die Situation zu entschärfen, während der Blonde vermutlich noch hinter ihr her setzte … denn ein ‚tut mir leid‘ kam nicht infrage. Denn schließlich … tat es ihr nicht leid! »Ihr solltet dringend einmal über ein Agressions-Bewältigungs-Programm nachdenken, Kurama-Taichou!«, kam es ihr doch tatsächlich mit einer Spur frechen Galgenhumors über die Lippen, sofern sie sich während einer etwaigen Aufholjagd tatsächlich in seinem Verfolgungsradius befände!

Eines Tages … ja, eines schönen Tages würde sie definitiv herausfinden, was es war, in das man bei Shisui so richtig freudvoll den Finger in die Wunde legen konnte. Dieses Vorhaben gestaltete sich natürlich nicht ganz so einfach, verbrachte man die gesamte Zeit so weit wie möglich entfernt von ihm – außer, wenn es um neue Einfälle für Stänkereien ging. Aber vielleicht träfe Reika ihn ja irgendwann mal derart blau an, dass selbst er die eigenwillige Feindschaft zwischen den beiden vergaß und munter aus dem Nähkästchen plauderte.
Nun, möglicherweise musste da etwas nachgeholfen werden, aber selbst das würde Überwindung kosten – man sah ja, was dabei herauskam, wenn sie auf einen nüchternen Shisui traf!
»Gut siehst du aus.«, höhnte sie dort oben vom Absatz des Daches – hockend, den Ellenbogen übers Knie gestützt, sodass das frech geschrägte Haupt in der Handfläche ruhte. Jeden anderen hätte dieser verheißungsvolle Blick des Kommandanten vermutlich mit den Beinen in der Hand in die Flucht geschlagen; doch Reika hatte für diesen Moment einfach mal jede Zurechnungsfähigkeit über Bord geworfen, um genau jenen Anblick dort unten fest in die Netzhaut brennen zu lassen. Vielleicht würde sie ja später davon ein Gemälde fertigen und es in den Baracken der 13. Kompanie aufhängen lassen – na ja, vielleicht wurde es aber auch nur ‘ne Strichmännchenkarikatur.
Lange sollte sie sich natürlich nicht daran erfreuen, denn wie zu erwarten wollte es Blondi nicht dabei belassen; Gott sei Dank gab er mit dem vielsagenden Knacksen seiner Fingerknöchel eine deutliche Vorwarnung an seine Kontrahentin. Niemals würde sie es vermutlich zugeben, aber so schmerzhaft jeder einzelne Schneeball auch gewesen war; er hatte ihr immer mehr Luft zum Atmen gelassen, als sie seinem Ruf eigentlich zugestanden hätte.
Das zweite warnende Geräusch war kaum erklungen, da war ihr bereits das »Suibou shiro, Akaboshi…« über die Lippen geperlt, indem sie ihr Schwert für den Schwung präparierte – »Neppa«, hieß es ganz knapp, als die Schneebälle in ihre Richtung rasten. Aus dem rotglühenden Zanpakutou pulsierte eine breite Hitzewelle, welche die weißen Bälle sofort entschärfte und nur Wasserspritzer zurückließ. Ob ihn das wohl auf schlimme Ideen brachte? Natürlich hätte sie den Impuls auch gleich so heiß treiben können, dass nichts als Dampf übrig geblieben wäre – da Shisui allerdings genau dahinter stand, empfand sie es nicht gerade als die feine englische Art. Nicht, dass er sich großartig aus eben dieser machte … (weswegen Reika auch brav in Bewegung bliebe, da gewiss weitere Angriffe vorauszusehen waren). Allerdings hopste sie schließlich mit einem Satz wieder auf den schneeigen Gehweg und sah ganz nach einem flotten Spruch aus; während sie da so stand und das rote Schwert in Händen hielt.
»Eine Sekunde«, bat sie, den Zeigefinger der verbliebenen Hand gereckt, »…da du mich ansonsten vermutlich jagst, bis der ganze Schnee getaut ist… mache ich dir ein Angebot.«, schlug sie vor; das rechte Auge keck zusammengekniffen, »…drei Schneebälle, die mich treffen, und ich lad dich auf ‘nen Drink ein … Taichou.«, setzte sie hinten noch nicht ganz respektvoll wie man es von ihr gewohnt war an, »…ich meine, es ist kurz nach Mittag, deine beiden Flachmänner sind bestimmt schon leer, so wie ich dich kenne.«, konnte sie es sich dann nicht mehr verkneifen und setzte auch schon davon – ob Deal oder nicht; für die Bemerkung würde es vermutlich ordentliche Einseifnis geben!